Effektive Inklusion
Andrew Broughton
führt aus, wie die elementare hörgeschädigtenpädagogische Förderung im Lichte einer Inklusionsstrategie zu handhaben ist. Geboten wird eine ‘Checkliste’ zur Bewertung der eigenen pädagogischen Praxis unter Inklusionsaspekten.
Einführung
Zielsetzung des Moduls
Das Ziel dieses Moduls ist es, die inklusive Praxis für kleine Kinder mit Hörbehinderung[1] in frühen Einrichtungen[2] zu fördern.
Methode
Wir werden dieses Ziel erreichen, indem wir den Lesern zeigen, wie sie mehr über die Prinzipien der Inklusion erfahren und sicherstellen können, dass das Prinzip für Kinder mit Hörbehinderungen schon in Betreuungseinrichtungen für Kleinkinder in die Praxis umgesetzt wird. Wir werden praktische Vorschläge, die die effektive inklusive Praxis erleichtern können, genauer unter die Lupe nehmen.
Dieses Modul stellt auch ein einfaches Kontrollinstrument zur Verfügung, anhand dessen die Leser einfach messen können, bis zu welchem Grad die Praktiken ihrer Umgebung inklusiv sind. Das Kontrollinstrument wird hilfreich sein, Entwicklungs-möglichkeiten zu identifizieren, was praktische und kostengünstige Verbesserungen zur Förderung inklusiver Praxis erleichtern wird. Es werden Ratschläge vermittelt, wie die identifizierten Entwicklungsbereiche in einen Maßnahmen-Plan übertragen werden können, der zum Ziel hat, eine dauerhafte und positive Veränderung bei der inklusiven Versorgung für Kinder mit Hörbehinderung herbeizuführen, was die Grundlage für eine langfristig erfolgreiche in die Regelschule und die Gesellschaft als solches legen wird.
Referenzen
In diesem Modul werden durchgehend Referenzen angegeben, die als Wegweiser dienen, um die Leser mithilfe von Texten und Weblinks auf Informationsquellen hinzuweisen. Es gibt auch Links zu anderen Modulen der Wegleitung, welche die Inklusive Praxis für Kinder mit Hörbehinderungen untermauern.
Kapitel 1-Was versteht man unter inklusiver Praxis?
Lernziele
Das Konzept von Inklusion verstehen.
Einige Schlüsselthemen in Zusammenhang mit der inklusiven Praxis für Kinder mit Hörbehinderung beleuchten.
Den Unterschied zwischen ‘Inklusion’ und ‘Integration’ verstehen.
Ein Arbeitsverständnis des Begriffes Inklusion erarbeiten, welches die Basis sein wird für die Entwicklung von qualitativ hochwertigen Arbeitspraktiken mit hörbehinderten Kindern.
Das Konzept der Inklusion
Die Möglichkeit und Freiheit in die Gesellschaft integriert zu werden, ist ein Grundrecht des Menschen. Es ist die Basis, auf der eine faire, gerechte und demokratische Gesellschaft funktioniert. Inklusive Gesellschaften sollten es jedem Einzelnen ermöglichen, aus allen Aspekten des alltäglichen Lebens seine Wahl treffen zu können. Die Grundlagen von inklusiven Gesellschaften und die Entwicklung der Fähigkeit des Einzelnen, diese nutzen zu können, werden in frühen Jahren gelegt. In dieser Beziehung haben die in den frühen Jahren der Kinder aktiven Fachleute[3] eine beträchtliche Verantwortung, und es ist wichtig, dass sie das Verständnis und die Kompetenzen haben, die Kinder in ihrer Obhut auf den richtigen Weg zu einem inklusiven Leben bringen.
Was bedeutet Inklusion wirklich?
Es wird oft über Inklusion gesprochen, aber selten wird der Begriff richtig definiert. Wir schlagen die folgende gängige Definition vor:
Die Bereitstellung von Systemen und Prozessen, die jedes Individuum entsprechend seiner Auswahlkriterien, seinem Glauben und seinen Wünschen zur vollständigen Integration in die Gesellschaft befähigen.
Die Definition beinhaltet nicht nur den Zugang für jedermann zu entscheidenden Aspekten des Lebens, wie Ausbildung und Arbeit, sondern auch die Anpassung der Paradigmen der Gesellschaft, insbesondere Gesundheits-, Erziehungs-, und Sozialfürsorgesysteme, um diesen Zugang zu vereinfachen. Letzteres ist ein schwieriger Prozess (obwohl in vielen Teilen Europas schon ein beträchtlicher Fortschritt erzielt wird), weil es miteinschließt, seit langem gültige (und oftmals falsche) Vorstellungen und Systeme zu verändern. In anderen Worten, es bedeutet, sich aus seinen Wohlfühlbereich herauszubewegen, um die Inklusion im wahrsten Sinne des Wortes „stattfinden“ zu lassen.
Die Versorgung von Kindern mit Behinderungen basierte in ihren ersten Jahren und im Prinzip innerhalb ihrer ganzen Ausbildungslaufbahn, bis vor kurzer Zeit auf der (intuitiven aber unlogischen) Erkenntnis, dass es notwendig sei, etwas „anders“ zu machen, um das erkannte ‚Defizit‘ zu überwinden. Dies ist besonders der Fall in Bezug auf die Hörbehinderung. Die Erkenntnis, dass man etwas ‚anders‘ machen muss, um den Bedürfnissen zu entsprechen, kann, auch wenn sie gut gemeint ist, doch Barrieren für die Inklusion errichten, was oft darin resultiert, dass Kinder mit Behinderungen keinen oder sehr beschränkten Zugang zu Alltagsaktivitäten und den vielen unterschiedlichen Auswahlmöglichkeiten, die das Leben bietet, erhalten. Gute praktische Umsetzung in frühen Jahren sollte also die Wahrnehmung von Behinderung in Zusammenhang mit “Defizit Modellen” vermeiden, welche naturgemäß gegen die Prinzipien der Inklusion sprechen. Inklusive Praxis bedeutet, das Kind als Ganzes zu betonen und nicht seine Behinderung. Ebenso sollten jedoch Kinder mit Behinderungen von Fachleuten gefördert werden, die über alle notwendigen Fähigkeiten und Kenntnisse bezüglich der praktischen Aspekte der Handhabung der Behinderung verfügen, um die Inklusion zu vereinfachen.
Hauptmerkmale einer inklusiven Vorschulumgebung
Eine inklusive Vorschulumgebung sollte die folgenden Merkmale vorweisen können:
Eine klare Grundsatzerklärung zur Inklusion muss für Eltern und Mitarbeiter
zur Verfügung stehen.
Prozesse die sicherstellen, dass alle Kinder an den Hauptaktivitäten der Einrichtung teilnehmen können.
Fortwährende Informationsgespräche mit den Eltern, damit ihre Ansichten bei
der Gestaltung der Umgebung und der Aktivitäten miteinbezogen werden
können.
Systeme, um den speziellen Bedürfnissen der einzelnen Kinder gerecht zu
werden, ohne sie zu stigmatisieren.
Regelmäßiges Training über inklusive Praxis für die Mitarbeiter.
Adäquate Anpassung[4] der Unterlagen/Materialien, um den speziellen
individuellen Bedürfnissen zu entsprechen.
Prozesse um sicherzustellen, dass alle Kinder aktiv teilnehmen – bei den Aktivitäten nur anwesend zu sein, reicht nicht aus- Inklusion erfordert Partizipation und Interaktion.
Wie der Einfluss der Hörbehinderung auf die inklusive Praxis empfunden wird
Die der inklusiven Praxis zugrundeliegenden Prinzipien sind natürlich für hörbehinderte Kinder die gleichen wie für Ihre normalhörenden Altersgenossen. Trotzdem werden durch die Sichtweise von Sprachbehinderung durch das frühe Umfeld und die Eltern oft Inklusionsbarrieren errichtet.
Hörbehinderung ist ein Überbegriff für eine große Spannweite an Hörverlusten. Der Begriff Hörbehinderung oder ‚taub‘ sollte nicht als ‚nichts hören‘ oder ‚in einer Welt der Stille leben‘ interpretiert werden. Angesichts der heutigen Hörgerätetechnologie und CIs, könnte nichts weiter von der Wahrheit entfernt sein. Gut ‘unterstütztes’ Hören kann dem Gehirn genügend auditive Information liefern, um normale Sprachmuster und Interaktion zu entwickeln. (Vgl Modul 8 für weitere Details). Es ist deshalb unabdingbar, dass praktizierende Fachleute in Betreuungseinrichtungen für jüngere Kinder es vermeiden, die Kinder stereotyp zu behandeln und die verschiedenen Arten der Hörbehinderungen selbst zu homogenisieren. Dies bedeutet in der Praxis, jedes einzelne Kind mit Hörbehinderung entsprechend seinen spezifischen Bedürfnissen zu behandeln. Es ist natürlich unumgänglich zu wissen, was die speziellen Bedürfnisse sind. Ein umfassendes Förderpaket abzuliefern, schließt das Wissen um den Ursprung des Hörverlustes mit ein, ebenso den ‚Stand‘ des Kindes mit Hörhilfen (d.h. was es mithilfe von Hörgeräten oder CIs hört) (vgl. Modul 8), das Verständnis des linguistischen und kognitiven Levels, auf welchem sich das Kind bewegt, (vgl. Modul 4), das Wissen um die Lebensumstände des Kindes und auch die Arbeit mit ‚externen‘ Fachleuten wie z.B. Lehrer für Gehörlose, Sprachtherapeuten, Spezialisten für CI Rehabilitation. Das Stereotypisieren eines Kindes mit Hörbehinderung auf der Basis von wenig oder schlechter Information kann zum Fehlschlagen der inklusiven Praxis und langfristig nachteiligen Entwicklungen im Leben führen.
Integration versus Inklusion
Bis zu den 70er Jahren wurde in ganz Europa die Großzahl der Kinder und jungen Leute mit signifikanten Hörbehinderungen von Kindheit an in speziellen Umgebungen ausgebildet – hauptsächlich in speziellen Schulen, die oft über Kindertagesstätten verfügten, in die die Kinder schon sehr früh aufgenommen wurden. Gegen Ende der 70er Jahre entwickelte sich (zumindest in einigen europäischen Ländern und vor allem in England) ein Trend zur Integration, aufgrund dessen Kinder mit signifikanter Hörbehinderung sowohl in frühen Stufen als auch während der Schulzeit in teilweise oder vollständige Regelschulumgebungen ‚integriert‘ wurden. Dies fungierte als Beschleuniger für einen Umschwung und wurde über die letzten 30 Jahre zur allgemeinen Praxis und einem großen Erfahrungsschatz hinsichtlich des besten Verfahrens. Die Integration entwickelte sich allmählich zum radikaleren Konzept der Inklusion. Es ist wichtig, den Unterschied zu verstehen, weil viele sogenannte inklusive Programme eigentlich integrative sind!
Integration bedeutete hauptsächlich, dass das Kind sich in das bereits bestehende System einfügen musste, während Inklusion bedeutet, dass das sich das System an die Bedürfnisse des Kindes anpassen muss. Inklusion, deren Philosophie auf dem Thema der Rechte, des Anspruchs, der individuellen Freiheit, der Auswahl und des Zugangs beruht, hat weit tiefergreifende Auswirkungen als die Integration. Trotzdem wird die Inklusion oft als Integration verkleidet. Es ist sehr einfach, den Anspruch zu stellen, eine Einrichtung sei inklusiv, wenn sie in Tat und Wahrheit integrativ ist. Wie oben beschrieben besteht ein grundlegender Unterschied, und zwischen den beiden zu unterscheiden, wird dem Leser helfen zu verstehen, was wirklich mit inklusiver Praxis gemeint ist.
Integration bedeutete oft, und tut es noch heute für viele Früh-Betreuungseinrichtungen, dass das Kind mit der Hörbehinderung einfach in der Einrichtung anwesend ist. Verständnis für die individuellen Bedürfnisse hat oft keinen Platz. Es kann sein, dass eine Homogenisierung der Art der Hörbehinderung stattfindet, die ein beschränktes Verständnis des Betreuers dafür, wie gute Ergebnisse aussehen, zur Folge hat. Bei der Integration kann es sein, dass es keine grundlegenden Änderungen der Praktiken und der Art des Denkens gibt, die gegen eine volle Teilnahme bei der Bestimmung der Aktivitäten sprechen. Inklusion auf der anderen Seite fokussiert auf individuelle Bedürfnisse durch das Fördern voller Teilnahme an den Aktivitäten der Einrichtung durch entsprechende Planung, Differenzierung und Ausbildung der Mitarbeiter. Richtiges Training der Mitarbeiter bekämpft die Stereotypisierung und Homogenisierung und sollte ein klares Verständnis darüber vermitteln, wie in der alltäglichen Praxis geeignete Förderung des Kindes beschleunigt werden kann, z.B. wie der Gebrauch der Hörgeräte, CIs und anderer Technologien optimiert werden kann. In Bezug auf Hörbehinderung haben die Einführung früher Diagnose, die riesigen technologischen Fortschritte bei der Herstellung und Anpassung von Hörgeräten, wie auch die Cochlea Implantation die Möglichkeiten der Inklusion signifikant gesteigert und durch Sprachentwicklung, Zugang zum Lehrplan und zu wichtigen langfristigen Lebensentscheidungen viel bessere Ergebnisse bei den Kindern erzielt.
The Europäische Ansicht von Inklusion für Kinder
Das “Salamanca Statement” (UNESCO, 1994) betonte die Grundrechte und die Einzigartigkeit jedes Kindes und legte klar fest, dass Ausbildungssysteme (für alle Altersstufen) so aufgebaut sein sollten, dass sie die individuellen Bedürfnisse in einem inklusiven Kontext erfüllen können. Dies war ein radikaler Sprung vorwärts für die weltweite Verbreitung des Konzepts der Inklusion. Dieser Ansatz wurde auf europäischer Ebene weiter bekräftigt durch das „Lisbon Agreement“ (2000) der Europäischen Union, das darlegte, dass es eine Kernaktivität der Union sei, „gegen die Exklusion“ zu kämpfen. Die inklusive Praxis in individuellen Kindertagesstätten ist die Grundlage hierfür.
Die ultimativen Ergebnisse der Inklusion
Thomas (1997) fasste das Thema Inklusion sehr gut zusammen: ‘Der Gedanke der Inklusion…setzt keine Parameter…es geht vielmehr um eine Philosophie der Akzeptanz und darum einen Rahmen zu bilden, innerhalb dessen alle Kinder…gleichermaßen wertgeschätzt, mit Respekt behandelt und mit gleichen Möglichkeiten versehen werden können.‘ In anderen Worten, es geht um eine Agenda von Rechten. Es geht nicht darum, Konzessionen zu machen, was die Realität von integrativen Programmen war und ist. Die Frage der Rechte sollte im Wesentlichen die Arbeit der Fachleute in Tageseinrichtungen für Kleinkinder motivieren, die sich um Kinder mit Hörbehinderungen kümmerten. Das Endresultat der inklusiven Praxis in den frühen Jahren, und in der Tat während des gesamten Ausbildungssystems, sollte es sein, Kindern zu helfen, eigenständige Erwachsene zu werden, die selber entscheiden, welches Art von Leben sie führen möchten. Eine unangebrachte Auffassung von Sprachbehinderung und das Fehlen eines grundlegenden Verständnisses, wie man damit umgeht, ist eines der größten Hindernisse, um dieses Ziel zu erreichen.
Kapitel 2-Wie sieht frühe inklusive Praxis aus?
Lernziele
Verständnis der spezifischen Faktoren, die die Inklusion für Kinder mit Hörbehinderungen effektiv machen.
Verständnis der Rolle des individuellen Förderassistenten (‘Individual Support Assistant’).
Anerkennen der Notwendigkeit für kurze und effektive Einzelgesprächssitzungen.
Grundlagen
Die grundlegenden Prinzipien und Praktiken der Inklusion, die in Betreuungseinrichtungen für die frühen Jahre vorhanden sein müssen, sind:
Anerkennung der Tatsache, dass wir alle unterschiedlich sind.
Proaktives Arbeiten gegen das Stereotypisieren und Homogenisieren von Hörbehinderung.
Sicherstellen, dass individuelle Förderprogramme personalisiert werden, d.h. so gestaltet, dass sie den Bedürfnissen des einzelnen Kindes im Rahmen der gesamten Aktivitäten und Ziele der frühen Tageseinrichtung entsprechen.
Hochwertige Erfahrungen für Kinder in Bezug auf die Art und Weise, in der sie unterstützt werden beim Lernen, bei der Leistung und beim Teilnehmen am Lernen und am Leben der Einrichtung.
Alle Kinder gleichermaßen wertschätzen.
Lernstrategien angemessen differenzieren, um den Zugang zum altersgerechten Lehrplan zu gewährleisten.
Sicherstellen, dass die Einrichtungen kontinuierlich an die Bedürfnisse des Kindes angepasst werden.
Revolutionierte Praxis
Über die letzten 30 Jahre wurde eine riesige Menge an Wissen, Fachkenntnis, und Technologie entwickelt, was die Praxis revolutioniert hat und in Betreuungs-einrichtungen einfach angewendet werden kann, vorausgesetzt, dass das Verständnis für die grundlegenden Management Techniken, die in dieser Anleitung beschrieben werden, vorhanden ist. Diese Entwicklungen können hervorragende Ergebnisse bringen, die dazu führen können, dass Personen mit einer Hörbehinderung eine wirkliche Auswahl in punkto Lebensstil und Beschäftigung haben und über einen hohes Maß an Inklusion in die Mehrheitsgesellschaft verfügen. Es ist sehr wichtig sich dieser Entwicklungen bewusst zu sein und Hörbehinderung nicht als unüberwindbares Hindernis für das Erreichen sehr guter Ergebnisse zu sehen. Es ist entscheidend, wie Fachleute Hörbehinderung wahrnehmen. Es ist wesentlich, dass die Leiter von Betreuungseinrichtungen der Tatsache Aufmerksamkeit schenken und in ihren Fachkräften ein klares Verständnis entwickeln sowohl über die Erscheinungsformen der Hörbehinderung in all ihrer Mannigfaltigkeit als auch darüber, wie die offensichtlichen Hindernisse durch die Anwendung von Wissen und Technologie aus dem Weg geräumt werden können. Im Wesentlichen können vorgefasste und oft enorm falsche Wahrnehmungen darüber, was Hörbehinderung für ein Kind bedeutet, zum größten Hindernis für die Inklusion werden.
Alltägliche Praktiken, die etabliert sein müssen um die Inklusion zu fördern
Inklusive Praxis für Kinder mit Hörbehinderung sollte die folgenden Schlüsselelemente beinhalten:
Das Bewusstsein um die Existenz individueller Hörbedürfnisse des Kindes, d.h. wie das Kind hört, wenn es Hörgeräte/CIs trägt.
Es ist wichtig zu verstehen, dass es bezüglich ihrer Hörbedürfnisse große Unterschiede vom einen zum anderen hörbehinderten Kind gibt. Deshalb ist es wichtig, die Erfahrung mit Hörbehinderung für irgendein bestimmtes Kind nicht zu stereotypisieren. Das Aufkommen digitaler Hörgeräte und früher Cochlea Implantation in den meisten europäischen Ländern hat den Umfang, in dem fast normale Hörgrade erreicht werden können, revolutioniert, adäquates Management und Unterstützung immer vorausgesetzt. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass man NICHT glaubt, ein Kind mit Hörbehinderung könne nicht hören oder lebe in einer Welt der Stille. Die große Mehrheit lebt sicher nicht in einer ‚stillen‘ Welt. Das Erreichen von „mit Unterstützung“ guten Hörgraden, was für die meisten Kinder mit Hörbehinderung einfach möglich ist, bedeutet, dass sie das Potential haben, ihren Lehrplan durch altersentsprechende Sprache zu erreichen. Inklusive Praxis sollte daher den Gebrauch von Hören zu allen Zeiten optimieren. Eine sehr nützliche Informationsquelle zum Thema Hörverlust, und wie Hörgeräte/CIs zu gutem ‚unterstützten‘ Hören verhelfen können, findet man in ’E-Caps’. Dies ist eine bei Oticon Inc. erhältliche CD, die auf dem Internet unter folgendem Link erhältlich ist: http://hcl.oticondelta.com.
Grundlegendes Verständnis des Sprachentwicklungsprozesses und wie dieses gefördert werden kann.
Der Prozess der Sprachentwicklung wird in Modul 4 besprochen. Die Zielsetzung von Sprache ist natürlich, Kommunikation zu ermöglichen, Sinngehalte zu teilen und die kognitive Entwicklung. Es ist eines der grundlegendsten menschlichen Merkmale, und jedes Kind hat das Recht, mit guter Sprache und Kommunikationsfähigkeit ausgerüstet zu werden. Gute Sprachentwicklung zu fördern bedeutet, dass alle Mitarbeiter und die anderen Kinder innerhalb der Einrichtung mit dem hörbehinderten Kind auf normale Weise interagieren. Limitierte oder eingeschränkte Kommunikation mit dem Kind wird nur dazu führen, dass sein Sprachentwicklungsprozess weiter verzögert wird. Der Grad der kindlichen Sprachfunktion wird von der Art der Unterstützung und der ‚Förderung‘ abhängen, die es erhielt, bevor es in die Betreuungseinrichtung aufgenommen wurde. Es kann durchaus vorkommen, dass Kinder, die schon als Neugeborene als hörbehindert diagnostiziert wurden, sogar wenn sie unter schwerem oder hochgradigen Hörverlust leiden, und die adäquat mit Hörgeräten oder CIs versorgt wurden, mit fast normalen Sprachgraden in die Einrichtung eintreten. Andere können dies nicht, weil sie die Diagnose später erhielten und/oder spät mit Hörgeräten oder CI ausgerüstet wurden. Solche Kinder können unterschiedliche Grade der Sprachentwicklungsverzögerung haben. In allen Fällen hat die Einrichtung eine Schlüsselrolle bei der Förderung der Sprachentwicklung im Bezug auf die Arbeit mit ‚außenstehenden‘ Fachleuten und Familien.
Das Verständnis für die Notwendigkeit, normale Interaktionsmuster aufrecht zu
erhalten
Dies ist zwingend. Wenn man Interaktionsmuster verändert, also z.B. langsamer spricht oder ein sehr vereinfachtes Vokabular (verglichen mit dem Alter des Kindes) oft ‚telegrafische‘ Sprache verwendet, wird dies nur zu einer verspäteten oder weiter verzögerten Sprachentwicklung führen. Inklusive Praxis bedeutet die Vermeidung von Stereotypisierung bezüglich der Hörbehinderung, was zu einer Entwicklung von anormalen Interaktionsmustern führen kann. Alle Mitarbeiter der Einrichtung sollten ermutigt werden, mit dem hörbehinderten Kind in einer normalen, entspannten Weise umzugehen. Mit Sicherheit sollte das Kind nicht dazu gedrängt werden, Sprache zu ‚lernen‘ (vgl. Modul 4 für nähere Details diesbezüglich). Das Kind sollte ermutigt werden, sozial mit den anderen Kindern zu verkehren und Sinninhalte zu teilen. Dies ist sehr wichtig und einfach zu erreichen, da kleine Kinder normalerweise nicht ‘engstirnig’ durch stereotype Ansichten von Behinderung sind, und deshalb geneigt sind zu kommunizieren und spontan zu interagieren. In Bezug auf Interaktion ist es wichtig sicherzustellen, dass die Bedeutung der Interaktion mitgeteilt wird und dass die Äußerungen des Kindes als sinnmachend akzeptiert und nicht konstant korrigiert werden.
Planung die sicherstellt, dass das Kind adäquate Unterstützung erhält, um Zugang zum Lehrplan zu erlangen, der angeboten wird.
Es ist essenziell, über den Tag keine ‘abweichenden’ Aktivitäten für das Kind mit Hörbehinderung anzubieten oder seine Teilnahme an den Hauptaktivitäten der Einrichtung einzuschränken. Dies bedeutet, den Zugang zu normalem Spiel, Geschichten, Theaterspiel und anderen Aktivitäten zu fördern. Eine wichtige Form, wie man den Zugang zum Lehrplan der frühen Jahre erleichtern kann, ist das Angebot von zusätzlicher individueller Förderung, indem man mit dem Kind arbeitet und über die Kindertagesstättenaktivitäten und –geschichten spricht – vorzugsweise bevor diese der ganzen Gruppe präsentiert werden – so dass das hörbehinderte Kind sich einfacher in Gruppenaktivitäten einbringen kann.
Vollständige und richtige Verwendung von Hörgeräten und verwandten Technologien
Dieses Thema wird in Modul 8 eingehend besprochen. Es ist ein Punkt, der nicht oft genug betont werden kann, da er maßgeblich am Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg der inklusiven Praxis beteiligt ist.
Eingehende Zusammenarbeit mit den Familien
Dies ist äußerst wichtig. Eine Betreuungseinrichtung für Kleinkinder, die offen und einladend für Familien ist, stellt natürlich den Schlüssel zu einem inklusiven Ansatz dar. Es ist es wert, jeden Tag eine kurze Zeit mit den Eltern zu verbringen und den Fortschritt des Kindes zu diskutieren und über die Aktivitäten zu sprechen, an denen es teilgenommen hat. Dies kann sehr hilfreich sein, um die Bedenken und Befürchtungen der Eltern zu zerstreuen, was für die Förderung eines inklusiven Ansatzes enorm wichtig ist. Ein praktischer und sehr nützlicher Mechanismus, um Eltern zu unterstützen, ist die Führung eines ‚zuhause/Betreuungseinrichtung‘ (‘home/setting’) Notizbuches. In dieses können Fotos oder einfache Zeichnungen zu den unternommenen Aktivitäten eingetragen werden, die zuhause eine Menge nützliche Anhaltspunkte für Erzählungen des Kindes bieten können. Auch sollten Familien ermutigt werden, das selbe mit den zuhause unternommenen Aktivitäten zu tun und einige Sätze und Bilder darüber in das Buch einzufügen, damit die Betreuungspersonen ein klares Verständnis über die Aktivitäten der Kindes zuhause gewinnen und mit ihm in der Tagesstätte darüber sprechen können.
Eingehende Zusammenarbeit mit Fachleuten ‘von außerhalb’
Gehörlosenlehrer/ Fachleute für Habilitation, die das Kind fördern, werden viel Information und Anleitung dazu liefern können, wie Hörtechnologie verwendet werden soll. Es ist wichtig, ein regelmäßiges Förderprogramm mit Fachleuten von „außerhalb“ zu erstellen. Dies ist besonders wichtig in Hinblick auf allgemeine Ratschläge, Ratschläge bezüglich Verwendung von Hörgeräten/ CIs und der Überwachung der Entwicklung. Solche externe Fachleute sollten die Betreuungseinrichtung mit ausführlichen Berichten zur Entwicklung und mit entsprechender Anleitung versorgen. Es kann vorkommen, dass eine derartige externe Unterstützung auch für zu Hause vermittelt wird und dass Fachleute ‚von außerhalb‘ eine wertvolle Verbindung zwischen Heim und Einrichtung herstellen können. Jedoch kann in einigen Regionen externe Unterstützung limitiert oder gar nicht existent sein. In solchen Fällen sind die Fördereinrichtungen sehr auf sich allein gestellt und müssen sich auf die Informationen und Ratschläge dieser Anleitung verlassen und auf die Links, die darin aufgeführt sind. Wo externe Unterstützung sehr limitiert ist, empfiehlt es sich, die Audiologie Klinik des Kindes zu kontaktieren oder besser noch zu besuchen, um dort Ratschläge bezüglich Einstellungen des Hörgerätes/ CIs, Gesundheit und Sicherheit einzuholen.
Bereitstellen einer ruhigen Umgebung für individuelle Arbeit/ Gespräche um den Gebrauch der Hörgeräte/CIs zu optimieren.
Externe Fachleute sollten diesbezüglich Ratschläge erteilen können – besonders im Hinblick auf die ‘ruhige’ Umgebung für individuelles Arbeiten[5].
Schreiben eines Individuellen Förderplans („Individual Support Plan“) für das Kind mit Hörbehinderung
Bei richtigem Aufbau kann dies ein sehr nützliches Instrument sein, um die Aufmerksamkeit auf die spezifischen Bedürfnisse des Kindes zu richten. Der Plan sollte mindestens alle sechs Monate mit den wichtigsten Teammitgliedern der Betreuungseinrichtung, mit den Eltern und ‘externen Fachleuten’ besprochen werden. Der Plan sollte Informationen über die Hörbehinderung des Kindes enthalten und über seine Bedürfnisse im Allgemeinen und auch die Ziele, die in den nächsten sechs Monaten in Zusammenarbeit mit Betreuungseinrichtung, Familie und externen Fachleuten gemeinschaftlich erreicht werden sollen. Sobald der Plan besprochen ist, müssen die Daten und Ziele aktualisiert werden. Die Entwicklung von Individuellen Förderplänen ist ein nützliches Instrument, um sicherzustellen, dass alle, die an der Förderung des Kindes beteiligt sind, einschließlich der Familie, vollständig in die Ausarbeitung, die Sicherstellung des optimalen Fortschritts und der Erzielung der Leistung miteinbezogen werden. Sie finden einen Vorschlag für einen Familien- Förderplan am Ende dieses Kapitels, im Unterkapitel 3.6.
Die Rolle des individuellen Förderassistenten (“Individual Support Assistant”)
In einigen Einrichtungen stehen Gelder zur Verfügung, um einen individuellen Förderassistenten für das Kind mit Hörbehinderung einzusetzen. Dies kann ein sehr wertvoller Trumpf für die Förderung des Verständnisses beim Kind sein und kann die Inklusion erleichtern. Dieses Teammitglied sollte:
Ein bis zweimal pro Tag Einzelgespräche von etwa 20 Minuten Länge abhalten.
Die Führungsperson sein bei der Sicherstellung, dass Hörgeräte/CIs und andere audiologische Geräte funktionieren und fachgerecht eingesetzt werden, in Übereinstimmung mit den Anweisungen der externen Fachleute.
Es dem Kind erleichtern, Zugang zur Gruppe und zu sozialen Aktivitäten zu finden – und gleichzeitig einen allzu aufdringlichen Ansatz vermeiden. Es ist wichtig, die Selbständigkeit zu fördern und ein sorgfältiges Gleichgewicht zwischen der Begünstigung von Verständnis und Sprachentwicklung auf der einen Seite und Unabhängigkeit und normale soziale Entwicklung auf der anderen.
Der Hauptkontakt für die Familien sein.
Den Gebrauch des “Zuhause/Betreuungseinrichtung“ Notizbuches fördern.
Der Hauptkontakt für externe Fachleute und Agenturen darstellen.
Individuelle Fördersitzungen
Es ist schwierig, den Ablauf dieser Sitzungen genau zu beschreiben. Sie können beinhalten, dass man das Kind in einen ruhigen Bereich mitnimmt und dort zum Beispiel das Hauptthema der Geschichte des Tages oder der Woche durchspricht oder durchspielt. Dies wird helfen sicherzustellen, dass das Kind ein Verständnis des Grundwortschatzes der Geschichte und ihrer Bedeutung bekommt. Es ist wichtig, in Einzelsitzungen eine effektive altersgerechte Konversation aufzubauen. Konversation ist das Schlüsselwort, und es ist wichtig zu vermeiden, dass man das Kind ausfragt oder es mit einer beschränkten und hoch strukturierten Form von Sprache ausrüstet, die gar nicht effektiv Bedeutung ausdrücken kann. Eine gute Anweisung dafür ist, sich natürlich und interaktiv zu verhalten, wie man es mit einem normalen Kind der Betreuungseinrichtung, das nicht hörbehindert ist, tun würde. Einzelsitzungen können auch Unterhaltungen über Bilder oder Notizen beinhalten, die die Familien in ihrem Zuhause/Betreuungseinrichtung Notizbuch gemacht haben. Dies ist besonders wertvoll, weil es das Kind ermutigt, sich an Aktivitäten (dem Alter des Kindes entsprechend) zu erinnern und diese jemandem zu beschreiben, der bei den Aktivitäten nicht selber mit dabei war. Dies ist ein wichtiger aber anspruchsvoller Aspekt von Sprachentwicklung und der Benutzung von Bedeutung.
Vorlage für einen individuellen Förderplan
Abschnitt 3.3.9 bezieht sich auf einen individuellen Förderplan und seinen Nutzen. Einen Vorschlag für einen solchen Plan finden Sie unten.
INDIVIDUELLER FÖRDERPLAN
Details des Kindes
Name:
Geburtsdatum:
Hörpegel nicht unterstützt:
Hörpegel mit Hörgerät/CI:
Andere Geräte, die von dem Kind genutzt werden:
Details über andere Behinderungen (falls zutreffend):
Faktoren, die auf das Kind und dessen Familie zutreffen:
ZIELE DES INDIVIDUELLEN FÖRDERPLANS
Dieser Plan ist für:
Datum:
Vereinbarte Ziele und nächste Schritte für das Kind, die
Betreuungseinrichtung und die Familie
Maßnahmen
Wer wird was tun und bis wann?
Eltern / Erzieher / Förderassistent
Kapitel 3-Fallbeispiel für eine frühe inklusive Versorgung
Lernziele
Untersuchung eines Fallbeispiels für inklusive Praxis in einer Betreuungseinrichtung für Kleinkinder.
Identifizierung von Schlüsselfaktoren zur erfolgreichen Platzierung eines hörbehinderten Kindes in einer inklusiven Betreuungseinrichtung für Kleinkinder.
Fallbeispiel
Die untenstehende Textbox enthält ein wahres Fallbeispiel, anhand dessen die Schlüsselaspekte der inklusiven Versorgung eines Kindes in einer Betreuungseinrichtung für Kleinkinder untersucht werden. Es handelt sich um ein Beispiel aus dem ’wirklichen Leben’, es werden jedoch aus Gründen der Vertraulichkeit anonymisierte Namen verwendet.
Sunshine Kindertagesstätte
Die Sunshine Kindertagesstätte ist eine unabhängige Einrichtung für Kleinkinder in einer städtischen Gegend. Es ist eine große Kindertagesstätte, die 80 Kinder zwischen 2 ½ und 5 Jahren aufnehmen kann.
Diese Einrichtung wird von Emily besucht, die unter hochgradigem Hörverlust leidet. Emilys Hörbehinderung wurde im Alter von 6 Wochen diagnostiziert, worauf sie mit zwei starken digitalen Hörgeräten versorgt wurde. Im Alter von 18 Monaten erhielt sie ein CI.
Seit der Diagnose besuchte ein Vorschschullehrer für Gehörlose einmal in der Woche Emily und ihre Eltern zuhause. Als sie 2 Jahre und 9 Monate alt war, fing Emily an, die Sunshine Kindertagesstätte an fünf Vormittagen in der Woche zu besuchen, wo sie wöchentlich von ihrem Lehrer für Gehörlose und gelegentlich bei Habilitationsfachleuten ihres örtlichen Cochlear Implant Centers besucht wird.
Bevor Emily in die Sunshine Kindertagesstätte eintrat, hatten die Betreuer keinerlei Erfahrung mit Kindern mit hochgradiger Hörbehinderung, obwohl sie über die Jahre schon Kinder mit anderen Behinderungen betreut hatten.
Emily hat durch ihr CI ein gutes unterstütztes Hörvermögen, das ihr erlaubt, den normalen Bereich von Sprachlauten zu hören. Sie fängt auch an ein FM-System zu benutzen. In der Umgebung der Kindertagesstätte hat Emily wie zu erwarten Probleme, aus der Distanz oder bei Lärm zu hören. Sie ist nun 4 Jahre alt, obwohl ihre Sprachstrukturen und ihre Sprachentwicklung eher denjenigen eines Kindes von 2 Jahren 9 Monaten bis 3 Jahren entsprechen. Trotzdem macht sie sprachlich sehr gute Fortschritte und ist eine eifrige ‚Kommunikatorin‘
Vor ihrem Eintritt in die Sunshine Kindertagesstätte erteilte Emilys Vorschullehrer für Gehörlose den Mitarbeitern der Einrichtung Unterricht zu ihren Bedürfnissen. Dieser Unterricht schloss praktisches Training in der Handhabung des CI und des FM-Systems mit ein, und zeigte auf, wie die Inklusion von Emily gefördert werden kann; er beinhaltete auch Trainingseinheiten, in denen anhand von Videobeispielen erklärt wurde, wie man das Verständnis und die spontane Sprachentwicklung unterstützen kann.
In Zusammenarbeit mit dem Lehrer für Gehörlose und der Familie entstand ein individueller Förderplan für Emily, der alle sechs Monate überarbeitet wird. Die Kindertagesstätte bestimmte ein Mitglied des Teams zu Emilys individuellem Förderassistenten, der verantwortlich ist für die Zusammenarbeit mit den Eltern, für die Überwachung der Funktion und des Gebrauchs des CI und FM-Systems und für die täglich abzuhaltenden zwei kurzen aber konzentrierten 1:1 Sitzungen mit Emily. Zusätzlich ist es die Rolle des individuellen Förderassistenten, diskret ein Auge auf Emily zu haben und ihr aktives Teilnehmen am Tagesgeschehen der Kindertagesstätte und ihren Umgang mit den anderen Kindern zu fördern.
Obwohl Emily anfangs etwas zögerte, sich auf andere Kinder einzulassen, hat sich dies mit zunehmender Sprachentwicklung wesentlich verbessert. Sie trägt ihr CI konstant und während Gruppenaktivitäten, Geschichtenstunden und 1:1 Sitzungen verwendet sie auch das FM-System. Die Kindertagesstätte hat einen kleinen Raum für das Arbeiten mit Emily ‘in Ruhe’ bereitgestellt, den sie mit Teppich und weichem Mobiliar versehen hat, um eine gute ‚akustische‘ Umgebung mit niedriger Nachhalligkeit zu schaffen. Für fokussierte 1:1 Gespräche ist dies die ideale Umgebung.
Emilys individueller Förderassistent füllt jeden Tag ein zuhause/Betreuungseinrichtung Notizbuch aus, indem er es mit einfachen Zeichnungen oder einem Foto der Tagesaktivitäten zusammen mit Notizen oder Informationen für Emilys Eltern ergänzt. Emilys Familie tut zuhause dasselbe, und so ist eine wertvolle Quelle für Emily entstanden, mit Hilfe derer sie sowohl über ihre Tagesstätte als auch über ihr Leben zuhause erzählen kann. Jeden Tag, wenn Emily von einem Elternteil abgeholt wird, gibt es ein kurzes Gespräch mit dem individuellen Förderassistenten, in welchem allfällige Punkte bezüglich CI Gebrauch/-Ausfällen oder ähnliches besprochen werden, um die Familie auf den aktuellen Stand zu bringen. Emilys Eltern fühlen sich immer zuversichtlicher, dass sie in die Tagesstätte inkludiert ist und dass dies ein ausgezeichneter Auftakt ist für die Inklusion in eine Regelschule, die Emily letztendlich besuchen soll.
Aufgabe
Notieren Sie Ihre Antworten auf folgende zwei Fragen:
Welches sind die Schlüsselfaktoren des obigen Fallbeispiels, die zur Förderung von inklusiver und effektiver Praxis führen?
Könnte Ihre Betreuungseinrichtung dasselbe erreichen, auch wenn die externe Unterstützung limitiert wäre?
Kapitel 4-Einrichtungen für Kleinkinder – Mind Map zur Inklusion
Lernziele
Eine Mind Map benutzen, um ein Konstrukt der inklusiven Praxis zu entwickeln
Mind Map
Die folgende Mind Map soll als aide memoire (Gedächtnisstütze) für die Leser dienen, und die Schlüsselprinzipien und – Praktiken darstellen, die für ein Kind mit Hörbehinderung zur effektiven inklusiven Frühversorgung führen. Die Mind Map umfasst die Konzepte und praktischen Fragestellungen, die in diesem Modul besprochen werden.
Aufgabe
Eine nützliche Übung für den Leser wäre zu diesem Zeitpunkt, sich die Mind Map anzuschauen und sie mit der Praxis und Umsetzung in ihrer eigenen Betreuungseinrichtung zu vergleichen. Ob die Leser jedes Kästchen mit ‘ja’ beantworten können?
Die Schlüsselelemente zu identifizieren, die nicht umgesetzt werden, wird eine nützliche Vorbereitung sein, um die Abschlussprüfung in Kapitel 6 durchzuführen.
MIND MAP ZUR INKLUSION
Kapitel 5-Kontrollinstrument
Lernziele
Den Wert der ‘Kontrollpraxis’ erkennen, um seine Inklusivität zu bestimmen.
Der Gebrauch eines ‘schnellen’ Kontrollinstruments
Das Format für einen Maßnahmen-Plan erkunden, um Verbesserungen in der Praxis zu identifizieren.
Das Instrument
Dieses Kapitel enthält ein einfaches Kontrollinstrument, das schnell benutzt werden kann, um die Inklusivität einer Einrichtung im Bezug auf sein Angebot für ein Kind/ Kinder mit Hörbehinderung zu bestimmen. Es wird die Basis für einen Maßnahmen-Plan bilden (erklärt in 6.3.), um das inklusive Angebot zu verbessern. Wir schlagen vor, dass das Kontrollinstrument im Rahmen einer Mitarbeitersitzung als Übung zur Anwendung kommt und von allen durchgeführt wird, die in der Einrichtung arbeiten, um sicherzustellen, dass die Übung selbst inklusiv ist!
Das Kontrollinstrument ist in einem einfachen Fragebogen-Format angelegt, was es ermöglicht, die Bereiche, die entwickelt werden sollten, einfach zu identifizieren.
Kontrollinstrument – Wie inklusiv ist ihre Betreuungseinrichtung für Kleinkinder?
Bitte kreuzen Sie Spalte 2, 3 oder 4 an, je nachdem was am meisten zutreffend ist. Die Fragen gehen davon aus, dass ein Kind/ Kinder mit Sprachbehinderung die Einrichtung besuchen.
Inklusionskriterien
Vorhanden
Teilweise vorhanden
Nicht vorhanden
1. Verfügt die Einrichtung über eine Grund-satzerklärung zur inklusiven Praxis?
2. Erhielten die Mitglieder des Betreuungsteams Training zur inklusiven Praxis – insbesondere in Bezug auf das Angebot für Kinder mit Hörbehinderung?
3. Haben alle Mitglieder des Betreuungsteams eine Grundausbildung zu den Bedürfnissen von Kindern mit Hörbehinderung erhalten?
4. Wurde ein Mitglied des Teams zur Unterstützungskraft für das Kind/ die Kinder mit Hörbehinderung und zum Verbindungsglied zu den Familien bestimmt/nominiert?
5. Falls ein Teammitglied bestimmt/ nominiert wurde, um das Kind/ die Kinder mit Hörbehinderung zu unterstützen, hat diese Person ein ausführliches Training über das Management eines Kindes mit Hörbehinderung erhalten?
6. Wissen die Mitglieder des Betreuungsteams/ bzw. das nominierte Teammitglied (falls bestimmt), wie man die Funktion von Hörgeräten/ CIs und FM Systemen zuverlässig testet?
7. Wissen die Teammitglieder, wie die Einstellungen des Hörgerätes sind?
8. Werden die Hörgeräte/CIs mindestens zweimal täglich in der Betreuungstagesstätte überprüft?
9. Wird die Funktion des FM Systems, falls benutzt, mindestens täglich in der Tagesstätte überprüft?
10. Wurde externer Rat eingeholt bezüglich der Verwendung von Hörgeräten/ CIs und FM Systemen?
11. Verfügt das Kind über einen Förderplan, der mit externen Organen (z.B. einem Lehrer für Gehörlose) und Eltern abgesprochen wurde?
12. Wird der Entwicklungs- und Förderplan des Kindes alle 6 Monate formell besprochen?
13. Gibt es ein zuhause/Betreuungseinrichtung Notizbuch und wird es täglich ergänzt?
14. Werden regelmäßige (z.B. wöchentliche) Sitzungen mit den Eltern abgehalten, um Entwicklungsschritte persönlich zu besprechen?
15. Werden beide (falls zutreffend) Elternteile zum Kontakt mit Mitarbeitern der Betreuungs-einrichtung ermutigt?
16. Sind die Einzelheiten zum Sprachstand und zur kognitiven Entwicklung des Kindes bekannt?
17. Wird das Kind angehalten, normal mit seinen Kameraden umzugehen?
18. Nimmt das Kind an allen Aktivitäten der Betreuungseinrichtung aktiv teil?
19. Hat das Kind regelmäßige 1:1 Gesprächs-sitzungen, um die Themen, die in
der Betreuungseinrichtung durchgenommen werden, zu ergänzen?
20. Wurden in der Betreuungsumgebung Anpassungen vorgenommen, um die Hör-bedingungen zu verbessern? Gibt es zum Beispiel einen mit Teppich ausgestatteten Ruhebereich oder –raum?
Einen Maßnahmen-Plan erstellen
Zuerst einmal ist es wichtig, die Spalten zwei bis vier des Kontrollinstruments aus Abschnitt 6.2 durchzugehen und das Ankreuzmuster insgesamt auszuwerten. Finden sich 18 oder mehr Kreuze in der ersten Spalte, ist dies ein Anzeichen dafür, das Angebot ausreichend auf die kindlichen Bedürfnisse ausgerichtet und inklusiv ist; sind aber 18 oder mehr Kreuze in den Spalten zwei oder drei, müssen ernsthafte Bedenken bezüglich der Inklusivität der Versorgung angemeldet werden. Wenn man die Gesamtverteilung der Kreuze betrachtet, sollte man beachten, dass die Fragen 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 15 und 19 von entscheidender Wichtigkeit sind, und wenn es nicht möglich sein sollte, bei diesen Fragen “vorhanden” anzukreuzen, wird der Wert der anderen Faktoren, die als “vorhanden” bezeichnet werden konnten, beträchtlich gemindert.
Maßnahmen-Plan
Nach der Durchführung der Kontrolle ist es essentiell, einen Maßnahmen-Plan aufzustellen, um die Umsetzung der inklusiven Praxis zu unterstützen. Dieser Plan muss eindeutig auf die in der Kontrolle identifizierten Punkte, die noch nicht oder nur teilweise vorhanden sind, ausgerichtet werden. Zusätzlich muss der Maßnahmen-Plan allenfalls ergänzt werden durch spezifische Maßnahmen für ein individuelles Kind, die durch Gespräche mit Eltern und externen Fachleuten (z.B. Lehrer für Gehörlose) identifiziert wurden. Der Maßnahmen-Plan kann folgendermaßen aufgestellt werden:
Maßnahme
Wie wird die Maßnahme durchgeführt?
Wer wird verantwortlich für die Durchführung der Maßnahme sein?
Angestrebter Termin, bis zu welchem die Maßnahme umgesetzt werden soll.
Die oben verwendeten Titel des Maßnahmen-Plans werden es ermöglichen, Maßnahmen zu identifizieren und Klarheit darüber zu schaffen, wie sie umgesetzt werden sollen und bis wann. Es ist wichtig, klare Termine für Maßnahmen zu setzen und diese so schnell als möglich umzusetzen. Es ist unabdingbar, den Maßnahmen-Plan mit der Familie des Kindes zu teilen, da er ihnen Zuversicht geben wird, dass die Betreuungseinrichtung sich aktiv für die Förderung ihres Kindes einsetzt. Zusätzlich sollte der Maßnahmen-Plan auch mit externen Förderkollegen besprochen werden, die möglicherweise noch spezifische zusätzliche Empfehlungen aussprechen können, die zum Maßnahmen-Plan hinzugefügt werden sollten, um spezifischen Bedürfnissen zu entsprechen, z.B. im Zusammenhang mit Gesundheit und Sicherheit.
Kapitel 6-Frühförderung
Quellen
Im gesamten Modul wurden Referenzen angegeben, die die Leser zu Schlüsseltexten/-Websites führen, die ihnen helfen werden, über Themen der Inklusion und darüber, wie man die inklusive Praxis im allgemeinen umsetzen kann, nachzudenken. Dieses Kapitel identifiziert Hauptinformationsquellen, die eine große Hilfe sein werden bei der Entwicklung von inklusiver und qualitativ hochwertiger Praxis für Kinder mit Hörbehinderung (und natürlich auch anderen Behinderungen) im Kleinkindalter. Bei der Behandlung von Themen der Gesamt-Behinderung wird das Schwergewicht auf die Hörbehinderung gelegt, und diese wird in einigen Ländern weitgehend als Schlüsselmechanismus für die Entwicklung von hochwertiger inklusiver Praxis verwendet. Diese Praxis wird Frühförderung genannt.
Frühförderung
Frühförderung wurde von der Englischen Regierung seit dem Jahre 2003 entwickelt. Es ist ‘das zentrale Regierungsprogramm, um besser koordinierte, familienorientierte Dienstleistungen für kleine Kinder mit Behinderungen und deren Familien bereitzustellen’. Die Frühförderung hat eine große Anzahl von Quellen hervorgebracht (von denen einige auch in einer Anzahl anderer Sprachen als Englisch verfügbar sind), die frei via Internet heruntergeladen werden können. Das Hauptportal zur Website zur Frühförderung finden Sie unter http://www.earlysupport.org.uk
Die Frühförderung liefert Material, das unter vielen verschiedenen Umständen verwendet werden kann. Es ist relevant für viele Einrichtungen, Regelbetreuungsstätten für kleine Kinder miteingeschlossen. Die Materialien, die runtergeladen werden können, wurden erst nach ausführlicher Beratung und Informationsbeschaffung erstellt. Die Website zur Frühförderung bietet einen klaren Leitfaden zu den dort erhältlichen Materialien. Die Site enthält Fördermaterialien, die auf Familien ausgerichtet sind, aber auch solche für Frühfördereinrichtungen. Der Fokus der Materialien liegt auf der Förderung von partnerschaftlicher Zusammenarbeit von Familien und Einrichtungen. Besondere Aspekte der Website, die wir Lesern in Bezug auf inklusive Praxis besonders empfehlen möchten, sind:
Das ‚Monitoring‘ (Überwachungs) Protokoll für gehörlose Babies und Kleinkinder, 0-3 Jahre.
Informationsbroschüren für Familien zum Thema Hörbehinderung (und andere Behinderungen), die auch gleichermaßen nützlich sind für Betreuungseinrichtungen.
Ein detailliertes ‘Service Audit Tool’ (Service Kontrollinstrument) . Dies oder Teile davon werden Betreuungseinrichtungen helfen, die Qualität ihrer Beziehungen zu den Familien und die Qualität der Unterstützung im Detail zu überprüfen.
Wir empfehlen den Lesern, die Frühförderungs-Website und deren Materialien zu konsultieren, da diese es ermöglichen, inklusive Praxis sehr viel detaillierter zu entwickeln, wenn erst einmal die Schlüsselprinzipien, die in diesem Modul vermittelt werden, implementiert worden sind. Die Frühförderungs-Website gibt klare Anweisungen für den Gebrauch der Materialien und wie diese implementiert werden können, um qualitativ gute Ergebnisse zu erzielen.
Literatur
Die folgenden Referenzen werden Ihnen helfen, Ihr Denken und Ihre Praxis weiter in Richtung der Prinzipien und Praktiken der Inklusion zu entwickeln.
Centre for Studies on Inclusive Education (CSIE) (2006) Index for Inclusion – developing play, learning and participation in early years and childcare. CSIE, Bristol, UK
ISBN 1-872001-45-9
Dies ist eine ausgezeichnete Quelle zur Unterstützung der “inklusiven Entwicklung von Kindergärten, Spielgruppen, Eltern und Kind Zentren, Kinderkrippen, Kindertagesstätten, Betreuung zuhause, für Clubs und Spielprogramme. Die Unterlagen sind so aufgebaut, dass sie jeder Einrichtung die Herausforderung und Hilfe bieten, mehr inklusiv zu werden, unabhängig davon, für wie inklusiv man sie aktuell hält. Der Index enthält eine Version auf CD. Es wird den Lesern auch geraten, die Website des CSIE unter www.csie.org.uk zu besuchen. CSIE Materialien sind in zahlreichen Sprachen erhältlich.
Thomas, G (1997) Inclusive Schools for an Inclusive Society. British Journal of Special Education. 24 (3) 09/1997
Dieser Artikel bespricht Definitionen von Inklusion und wie sich die Bedeutung von derjenigen der Integration unterscheidet, außerdem werden weitergreifende Aspekte und Prinzipien von Inklusion besprochen. Dieser Artikel regt zum Nachdenken an.
[1] Hörbehinderung ist ein allgemeiner Begriff, der sich auf alle Bereiche des Hörverlustes bezieht.
[2] Frühe Einrichtungen meint: Kinderkrippen, Kindergärten und andere Einrichtungen für bis 6 J.
[3] Mit der Bezeichnung “in den frühen Jahren der Kinder aktive Fachleute” sind alle Mitarbeiter gemeint, die in den „Einrichtungen der frühen Jahre“ arbeiten, also Lehrer, Assistenten, Spielgruppenleiter, Kindergärtnerinnen, Babysitter, Nannies und Freiwillige.
[4] Anpassung heißt, dass Wege gefunden werden sicherzustellen, dass z.B. die Kinder mit Hörbehinderung in frühen Jahren Zugang zu demselben Lehrplan haben wie ihre Altersgenossen. Dies bedeutet normalerweise 1:1-Arbeit um die Sprachentwicklung zu fördern.
[5] Idealerweise sollte diese ruhige Umgebung eine Nachhallzeit von weniger als 0.4 Sekunden und einen Raum-Hintergrundgeräuschpegel von weniger als 40 dB(A) betragen. Externe Fachleute sollten fähig sein zu beraten, wie diese Werte erreicht werden können. Vgl. auch Modul 2 für Hinweise zu diesem Thema, speziell in Fällen, wo externe Unterstützung nicht erhältlich ist.